Tallinn-Oldenburg:
die Seeroute
Die Reiseroute über die Ostsee ist über lange Zeit die Strecke der Kaufleute gewesen. Von Häfen wie Stralsund, Lübeck und Kiel reisten die Handelnden für ihren Warenumschlag die Städte des Baltikums an. Selbst aus entlegeneren Orten wie Amsterdam und Hamburg, entlang der Nordseeküste und der dänischen Küste fuhren Schiffe Tallinn und die Häfen Estlands an. Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt in der Mitte des 19. Jahrhunderts werden Passagen von Lübeck nach Tallinn in den regulären Betrieb übernommen.
Die Kartenbilder dieser Route starten mit frühen Druckwerken und Übersichtskarten der Ostsee und zeigen nachfolgend in Detailkarten das kartographische Bild des Baltikums im Laufe der Zeit. Auf dem europäischen Festland angekommen, belegen Kartenwerke des 16. bis 18. Jahrhunderts die kartographische Erfassung des Oldenburger Landes. In ausgewählten Highlights werden Besonderheiten dieses Kulturraums vorgestellt, darunter die Steinzeitgräber „Visbeker Braut und Bräutigam“ aus der Trichterbecherkultur oder die Insel Wangerooge im Naturpark Welterbe Wattenmeer.
„Wenn man von Riga kommend den Golf von Finnland erreicht und bei der Insel Nargö vorbeifährt, (…) dann seinen Curs nach Süden richtet, sieht man bereits mit dem Fernrohre am Horizont den Olaithurm von Reval auftauchen. Nähert man sich der Stadt im Sommer, wenn die ganze Bucht, an der die Stadt unter 59° 29′ nördl. Br. und 24° 47′ östl. L. v. Gr. liegt, vom hellen Sonnenlicht übergossen, die glänzende Wasserfläche mit blinkenden Segeln bedeckt ist und ein wolkenloser Himmel sich über der Landschaft wölbt, erinnert das Bild an Neapel. Aber auch nur im Sommer. Denn in der rauheren Jahreszeit thürmen sich die Eisschollen im Hafen übereinander, und ein winterlicher Schleier bedeckt das im Sommer so reizende Bild. Im Sommer ist Reval auch seiner herrlichen Lage wegen ein viel besuchtes Seebad.“
Aus: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 856-858.
Scandianæ insulæ index
Kartographen/Stecher/Verleger: Johannes Magnus, Olaus Magnus, Giovanni Maria Viotti
Rom 1554
Holzschnitt, 26 x 17 cm
Station 1
Eine der frühesten Karten der Ostsee und Skandinaviens ist in der „Geschichte aller Könige der Goten und Schweden“ von Johannes Magnus enthalten, die sein Bruder, der schwedische Bischof Olaus Magnus, 1554 herausgab. Sie fußt auf seiner 1539 gedruckten großen „Carta Marina“. Der Holzschnitt gibt den Küstenverlauf und die Topographie nur sehr vereinfacht wieder. Dennoch benennt die Karte detailliert die einzelnen Regionen Skandinaviens und der benachbarten Länder an Nord- und Ostsee.
Station 2
Auf den ersten Blick handelt es sich bei dieser Seekarte der Ostsee um ein Werk des Verlagshauses Covens & Mortier, das von 1685 bis 1866 in Amsterdam bestand. Ihr Liniennetz dient der Navigation. Besonderes Augenmerk liegt auf der Küstenlinie. Zudem finden sich zahlreiche Tiefenangaben. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass die Karte aus dem „Neptune François, ou Atlas nouveau des cartes marines“ stammt, einem französischen Marineatlas, der auf Initiative Jean-Baptiste Colberts (1619-1683) verfasst und 1693 in Paris bei Claude Gournai erschien. Er enthält zahlreiche Seekarten der Ostsee, Nordsee und der europäischen Atlantikküste. Noch im selben Jahr gab Pieter Mortier (1661-1711), der Vater der beiden vorgeblichen Urheber der Ostseekarte, Cornelis Mortier (1699-1783) und Johannes Covens (1697-1774), den „Neptune François“ ohne Autorisation des französischen Königs ebenfalls heraus. Seine Ausgabe wurde jedoch nicht von der Seefahrt genutzt, sondern diente als Prachtband. Spätestens 1721 stellte der Verlag den Druck des Werks ein. Vorhandene Exemplare sowie Einzelkarten wurden in den Folgejahren abverkauft. Es handelt sich bei der Ostseekarte also nicht um eine „Nieuwe Caart“, sondern um einen Raubdruck.
Nieuwe Caart Van De Oost Zee ou Carte De La Mer Baltique : Contenant les Bancs, Isles Et Costes Comprises entre L’Isle De Zelande et l’Extremité du Golfe De Finlande
Kartographen/Stecher/Verleger: Johannes Cóvens, Corneille Mortier, Jacques LeRoy
Amsterdam [1750?]
Kupferstich, 60 x 87 cm
Sinus Finnici Delineatio Geographica
Kartographen/Stecher/Verleger: Tobias Mayer
Nürnberg 1751
Kupferstich, 44 x 40 cm
Station 3
Diese Karte des Finnischen Meerbusens stammt vom Göttinger Astronomen und Professor für Mathematik, Tobias Mayer (1723-62), der von 1746 bis 1751 für das bedeutende, auf Karten spezialisierte Verlagshaus Homann arbeitete. Das Gouvernement Estland, das damals zum Russischen Reich gehörte, ist vollständig abgebildet. Der Kupferstecher Johann Baptist Homann (1664-1724) hatte das Verlagshaus 1702 gegründet. Nach dem Tod dessen Sohnes führten Johann Georg Ebersberger (1695-1760) und Johann Michael Franz (1700-1761) das Geschäft weiter. Die Karte fand Eingang in den „Atlas geographicus maior“, das Flaggschiff des Verlags, der in jenen Jahren mit der Herstellung einer großen Zahl neuer, hochwertiger Karten eine Blütezeit erlebte.
Station 4
Pieter Goos (1616 – 1675) war einer der bekanntesten Amsterdamer Buchhändler und verantwortlich für die Herausgabe einer Anzahl von Seeatlanten und Segelhandbüchern. Zwischen 1650 und 1678 erschienen 21 Auflagen des „Zee-Spiegel“ in drei Sprachen, darunter auch die seltene spanische Ausgabe von 1669. Die Übersichtskarten der Nord- und Ostsee aus dem „Atlas de la Mar“ beruhen wesentlich auf den Karten aus dem „Zee-Atlas“ seines Amsterdamer Konkurrenten Hendrick Doncker.
Pas-Caart van de Oost Zee : Verthoonende Alle de ghelegentheydt tusschen ´t Eÿlandt Rugen ende Wÿborg.
Kartographen/Stecher/Verleger: Gerard Coeck, Pieter Goos
Amsterdam 1669
Pascaert van Schager-Rack, De Best en de Orisondt; tot in de Oost-Zee
Kartographen/Stecher/Verleger: Hendrick Doncker
Amsterdam 1692
Station 5
1448 wurde Graf Christian I. von Oldenburg König von Dänemark, 1450 auch König von Norwegen und begründete eines der noch heute bedeutenden Geschlechter des europäischen Hochadels. Zwischen 1667 und 1773 gehörte die Grafschaft Oldenburg unmittelbar zum Königreich Dänemark und wurde von Kopenhagen aus verwaltet.
Die detaillierte Karte des Skagerrak wurde von Doncker neu herausgegeben. Hendrick Doncker (1626 – 1699) betrieb sein Verlagshaus mehr als 50 Jahre in Amsterdam. Im Gegensatz zu Goos bemühte sich Doncker sehr um die stetige Verbesserung und Erweiterung seiner Seekartensammlung, sodass der Umfang des „Zee-Atlas“ ständig wuchs.
Station 6
Pieter Goos (1616 – 1675) wirkte als Herausgeber, Stecher und Händler von Seekarten und Seeatlanten in Amsterdam. Die Atlanten von Goos waren weniger für den Gebrauch auf See bestimmt als für Reeder und Kaufleute. Die Nachfrage der Kunden beruhte auf den mit großer Professionalität gravierten Karten, die häufig attraktiv koloriert wurden.
Pascaart van de Noort Zee : Verthoonende in zich alle de Custen en havens daer rontom gelegen
Kartographen/Stecher/Verleger: Gerard Coeck, Pieter Goos
Amsterdam 1669
Circvlvs Westphalicvs Sive Germaniæ Inferioris
Kartographen/Stecher/Verleger: Joan Blaeu
Amsterdam [zwischen 1640 und 1659]
Kupferstich, 40 x 53 cm
Station 7
Im Jahr 1500 wurde das Reich von Kaiser Maximilian I. in zehn Reichskreise eingeteilt. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis umfasste den Nordwesten vom Niederrhein bis zur Küste und im Osten bis zur Weser. Auch die Grafschaft Oldenburg gehörte dazu. Die Karte des Westfälischen Reichskreises stammt aus dem Großen Atlas von Joan Blaeu (1596 – 1673). Die Niederländische Verleger- und Kartographenfamilie Blaeu brachte im 17. Jahrhundert viele Einzelkarten und prächtige Atlanten heraus. Willem Janszoon Blaeu (1571 – 1638) studierte bei Tycho Brahe Astronomie und Kartographie. 1633 wurde Blaeu offizieller Kartograph der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC). Sein Sohn Joan Blaeu führte den Verlag erfolgreich fort, bis 1672 ein Brand die Werkstatt in Amsterdam und mit ihr die kostbaren Kupferplatten vernichtete.
Station 8
Das Oldenburger Land im Nordwesten des heutigen Niedersachsens umfasst die Küstengebiete westlich der Wesermündung bis einschließlich der Insel Wangerooge und reicht im Süden bis zum Dümmer nördlich von Osnabrück. Die Grafschaft Oldenburg entwickelte sich im Mittelalter zunächst an den Flussläufen von Jade und Hunte bis zur Weser.
Die erste spezielle Karte der Grafschaft wurde 1583 von Laurentius Michaelis (ca. 1529 – 1584) gezeichnet und im folgenden Jahr durch Abraham Ortelius (1527 – 1598) in seiner neuen Theatrum-Ausgabe gedruckt. Sie zeigt die Vereinigung der Herrschaft Jever (rot) mit der Grafschaft Oldenburg (gelb) seit 1575 und ist daher von politischer Bedeutung. Die Geografie, insbesondere der Jadebusen, ist sehr ungenau dargestellt und entspricht nicht dem damaligen Zustand. Diese falsche Darstellung fand durch die Atlanten von Ortelius und Mercator jedoch weite Verbreitung.
Oldenbvrg Comit.
Kartographen/Stecher/Verleger: Laurentius Michaelis, Abraham Ortelius
[Antwerpen], [nach 1595]Kupferstich, 33 x 23 cm
Oldenbvrg Comitatvs
Kartographen/Stecher/Verleger: Jan Jansson
Amsterdam [nach 1630?]
Kupferstich, 36 x 47 cm
Station 9
Diese Karte prägte das Aussehen der Grafschaft Oldenburg in den Atlanten der Druckgeschichte ab 1630. Sie wurde ursprünglich von Jodocus Hondius (1594-1629) angefertigt. Hondius verkaufte die Kupferplatte an Willem Janszoon Blaeu (1571 – 1638), der sie nahezu unverändert in vielen Auflagen seiner Atlanten herausbrachte. Auch die Nachstiche von Blaeus Konkurrenten Jan Jansson (1588 – 1664) und seiner Nachfolger wurden bis ins frühe 18. Jahrhundert nachgedruckt.
Station 10
Die von dem Oldenburger Deichgraf Johann Wilhelm Anton Hunrichs 1761 angefertigte Karte ist das Ergebnis neuer sorgfältiger kartographischer Aufnahmen in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Wegen der Hervorhebung der Vogteigrenzen, der Deiche und der erstmals in Doppellinien gezeichneten Straßen wird sie als „Vogteikarte“ bezeichnet. Sehr gut sichtbar sind auch die großflächigen Moorgebiete, die dichter besiedelten Marschen an den Küsten und in den Flussniederungen und die dünn besiedelte Geest. Diese drei Landschaftsformen prägen das Oldenburger Land bis heute, auch wenn viele Moore inzwischen trockengelegt wurden.
Comitatvvm Oldenbvrg et Delmenhorst pro recentissimo Statu uti est Sub Regno Potentissimi Regis Friderici v Facta delineation
Kartographen/Stecher/Verleger: Johann Wilhelm Anton Hunrich
Nürnberg, Homannsche Erben, 1761
Kupferstich, 49 x 48 cm