Tallinn-Wolfenbüttel:
die südliche Route
Die Reiseroute durch die südlichen Gebiete der Ostsee ist unter den drei Reisestrecken der einzige Weg, der ausschließlich über Land führte. Er führte durch Residenzen und größere Städte wie Berlin, Warschau, Vilnius und Riga und wurde von diplomatischen Reisenden und Gelehrten auch aufgrund der kulturellen Sehenswürdigkeiten und Sammlungen genutzt. Zudem ist diese südliche Reiseroute der einzige Weg, der durch weite Teile des heutigen estländischen Staatengebietes führte.
Die Kartenbilder dieser Route starten aus der Fernsicht der Darstellung Europas und zoomen dann in die einzelnen kartographischen Stationen der Strecke hinein. In historisierenden Karten und bisweilen unikalen oder handschriftlichen Stücken zeigt der Verlauf einzelne Momentaufnahmen der historischen und räumlichen Situation der durch Karten zusammengeführten Route. Im Kulturraum Wolfenbüttels angelangt, werden historische Highlights der Region vorgestellt, darunter die Weltkulturerbestadt Goslar und die bereits im 17. Jahrhundert als achtes Weltwunder gepriesene Herzog August Bibliothek.
„Und weil von hinnen, bis gen Reval, wann man den Weg zu Lande auf Preussen und Liefland nimmt, eine sehr weite Reise, und nicht viel unter 300 Deutschen Meilen Wegs sind, wann dann gleich sonst keine Verhinderung vorhanden wäre, oder sich unterwegs zutrüge, so würde man zum wenigsten mit einem solchen Frauenzimmer 3. ganze Monathe zu Vollbringung der Reise von hieraus bis gen Reval haben müssen, und könnten demnach, wenn gleich die Reise allenthalben glücklich und wohl fortgienge, vor dem Monath November zu Reval schwerlich ankommen.“
Aus: Landgr. Philipps von Hessen Antwort dem Schwedischen Secret. Christo Schieffer ausgestellt in der Vermähl.-Sache seiner Tochter mit Kön. Erich XIV. In: Göttingisches Historisches Magazin von C. Meiners und L. T. Spittler, Bd. 3 (1788), S. 703-740.
Station 1
Die Darstellung der Europa schmückt als Titelkupfer den Städteatlas des Niederländischen Verlegers Frederick de Wit. De Wit vereinigte in diesem Werk teilweise ältere Stadtpläne aus den Verlagen Blaeu und Janssonius. Neben Oldenburg sind auch Emden, Osnabrück, Lüneburg und Hildesheim im Gebiet des heutigen Niedersachsens in diesem Buch der vornehmsten Städte Europas zu finden.

Evropa
Kartographen/Stecher/Verleger: Frederick De Wit
Aus: Theatrum praecipuarum totius Europae ubium
Amsterdam [um 1698]
Kupferstich

Nova Et Exquisita Descriptio Navigationum Ad Praecipuas Mundi Partes
Kartographen/Stecher/Verleger: Nicolas de Nicolay
[S.l.], 1544Kupferstich, 88 x 57 cm
Station 2
Der französische Geograph Nicolas de Nicolay (1517-1583) bereiste fast ganz Europa und den Nahen Osten. Vom Ostseeraum hatte er jedoch eine sehr unvollkommene Kenntnis, wie seine Darstellung auf der Europakarte aus dem Jahr 1544 zeigt. Die als „Eismeer“ (Mare glaciale) bezeichnete Ostsee weist nur im Süden, von Dänemark bis Preußen, einen halbwegs zutreffenden Küstenverlauf auf.
Station 3
Die nach Westen ausgerichtete Karte Europas ist zweigeteilt. Der größere Teil reicht nach Norden bis zum Finnischen Meerbusen, zeigt die Ostsee aber nicht vollständig. In kleinerem Maßstab schließt sich rechts die Darstellung Nordeuropas an, die bis nach Spitzbergen und Grönland reicht. Die Darstellung konzentriert sich im Stil der früheren Portulankarten ganz auf Küstenlinien und Seehäfen.

Waßende Graade Paskaardt Vertonende alle de Zeekusten van Europa
Kartographen/Stecher/Verleger: Dirk Rembrantsz van Nierop, Jacobus Robijn
Amsterdam, [1650]
Kupferstich, 74 x 58 cm

Livland nach der Eintheilung Heinrich des Letten und zu den Zeiten der Bischöffe u. Ordensmeister bis 1562
Kartographen/Stecher/Verleger: Wilhelm C. Friebe, Johann W. Krause
[Riga, Leipzig], [1798]Kupferstich, 47 x 69 cm
Station 4
Zwar entstand das Genre der Geschichtskarte bereits während der Renaissance, jedoch konzentrierten sich die Kartographen zunächst fast ausschließlich auf die Antike. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts fassten sie auch das Mittelalter und die Neuzeit ins Auge. Auf dieser Karte des nördlichen Baltikums versuchte Wilhelm Christian Friebe (1761-1811), ein livländischer Hauslehrer, der zahlreiche Werke zur Geschichte und Ökonomie des Baltikums veröffentlichte, auf Grundlage der Livländischen Chronik Heinrichs von Lettland (ca. 1187/88 – nach 1259) die Herrschaftsverhältnisse des hohen Mittelalters darzustellen. Ebenso interessant wie die Karte ist ihr Rahmen. Der spätere Professor für Ökonomie und Architektur an der Universität Dorpat, Johann Wilhelm Krause (1757-1828), stellt links unten die einheimische baltischen Bevölkerung als raue Krieger dar. Nichtsdestoweniger müssen sie sich rechts unten einem christlichen Bischof und einer Gruppe von Ordensrittern unterwerfen. Dementsprechend wiegt für die personifizierte Gerechtigkeit auf der Kartusche das Kreuz schwerer als die „Rechte der Nation“.
Station 5
Dieses Karte Kurlands und Semgallens, eines Herzogtums, das unter der Oberherrschaft Polen-Litauens stand, gab das Nürnberger Verlagshaus Homann 1747 heraus. Zwar erschien sie unter dem Namen des Mitauer Architekten Johann Christoph Barnickel (ca. 1700-1746), stammte aber tatsächlich vom Kurländischen Pastor Adolph Grot (1676-1726). Dieser hatte das Land von 1718 bis 1725 bereist. Die beiden Titelkartuschen zeigen das Wappen des Herzogtums und stellen dar, was die Zeitgenossen als typisch kurländisch ansahen: Getreide- und Fischreichtum sowie die wilde Natur.

Dvcatvs Cvrlandiæ
Kartographen/Stecher/Verleger: […] Homann
Nürnberg, 1747
Kupferstich, 47 x 34 cm

Regni Poloniae Magnique Ducat. Lithuaniae Nova et exacta Tabula
Kartographen/Stecher/Verleger: Johann Baptist Homann
Nürnberg, 1739
Kupferstich, 55 x 47 cm
Station 6
Hommans Karte des in Personalunion verbundenen polnisch-litauischen Reiches zeigt auch das gesamte Baltikum bis zum Finnischen Meerbusen. Die Ostseeküste ist von der Odermündung bis Petersburg dargestellt. Das nördliche Baltikum mit Estland gehörte nicht zu Polen-Litauen, sondern zu Schweden und ist daher nicht flächig koloriert, sondern umrandet.
Station 7
Auf den ersten Blick handelt es sich bei dieser Karte Polen-Litauens um eine niederländische Produktion. Das Land war im 17. Jahrhundert ein Zentrum der europäischen Kartographie. Jedoch neigten die zahlreichen konkurrierenden Werkstätten aus geschäftlichen Gründen dazu, ihre Karten möglichst oft immer wieder neu aufzulegen, worunter ihre Qualität litt. Demgegenüber erwies sich die französische Kartographie als innovativer. So ist es kein Zufall, dass Justus Danckerts (1635-1701), Spross einer Amsterdamer Kartographenfamilie, keine eigene Karte herstellt, sondern eine des französischen königlichen Geographen Guillaume Sanson (1633-1703) als Vorlage verwendete.

Regni Poloniæ et Ducatus Lithuaniæ Voliniæ, Podoliæ Ucraniæ Prussiæ et Curlandiæ descriptio
Kartographen/Stecher/Verleger: Justus Danckerts
Amsterdam, [1700]
Kupferstich, 48 x 57 cm

Potentissimo Borussorum Regi Friderico Wilhelmo Maiestate, Fortitudine Clementia Augustissimo Hancce Lithuaniam Borussicam
Kartographen/Stecher/Verleger: Johann F. Betgen, Homannsche Erben
Nürnberg 1735 [erschienen 1782]
Kupferstich
Station 8
Im frühen 18. Jahrhundert war der Nürnberger Verlag von Johann Homann (1664-1724) und seinen Erben führend in der Herstellung von Karten. Die Karte zeigt eine Kombination von Landkarte und Stadtgrundriss. Der Distrikt Memel (heute: Klaipeda in Litauen) bildete die Nordspitze des preußischen Gebiets. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen verlieh dem Ort Gumbinnen im Jahr 1735 Stadtrechte und ließ dort protestantische Flüchtlinge aus Salzburg ansiedeln.
Station 9
Die älteste gedruckte Karte Polens ist einzig im Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel erhalten. Sie wurde im Jahr 1562 in Antwerpen gedruckt. Die Karte zeigt allerdings nur das Kerngebiet Polens und das südlich angrenzende Gebiet. Westpreußen und die Ostseeküste sind auf der Karte nicht dargestellt, obwohl das Gebiet um die Weichselmündung längst zum Königreich Polen gehörte. Am oberen Rand sind die Nachbarregionen Pommern, Preußen und Litauen benannt. Im Süden sind Schlesien und Mähren durch die nachträgliche Einfärbung als Teile Polens kenntlich gemacht, während Masowien mit Warschau nicht koloriert wurde. Die Gründe für dieses Vorgehen sind nicht bekannt.

Poloniae Recens Descriptio : Cum Privilegio Regis
Kartographen/Stecher/Verleger: Hieronymus Cock
Antwerpen 1562
Kupferstich, 56 x 45cm

Special-Charte vom Herzogthum Pommern : nebst den angränzenden Ländern von Mecklenburg der Ucker- und Neumark Westpreußen und Netzdistrict / Nach den besten Zeichnungen und Karten entworffen
Kartographen/Stecher/Verleger: W. Brüggemann, Adam Gottlieb Schneider
Nürnberg 1792
Kupferstich, 44 x 70 cm
Station 10
Pommern, das zwischen 1648 und 1815 zwischen Schweden und Preußen geteilt war, ist auf dieser Karte detailreich dargestellt. Neben verschiedenen Verkehrswegen sind auch einzelne wirtschaftliche Betriebe verzeichnet. Die Kunstbuchhandlung, die Adam Gottlieb Schneiders (1745-1815) durch seine Heirat mit Maria Johanna Stellwag, der Erbin der Kunsthandlung Weigel, 1780 begründete, gab zahlreiche Karte heraus. Grundlage dieser „Special-Charte“ sind neben anderen Zeichnungen und Karten zeitgenössische statistisch-topografische Landesbeschreibungen: die „Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern“ des Hofpredigers an der Stettiner Schlosskirche, Ludwig Wilhelm Brüggemann (1743-1817), und die „Schwedischpommersche Staatskunde“ des Greifswalder Staatsrechtsprofessors Thomas Heinrich Gadebusch (1736-1804).
Station 11
Die undatierte handgezeichnete Karte zeigt im Wesentlichen das Territorium des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin zwischen der Dritten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung 1701 und dem Malmöer Pfandvertrag von 1803, mit dem Schweden Wismar an das Herzogtum zurückgab. Zudem fehlt auf der Karte zwischen Neustadt, Grabow und Eldena die Stadt Ludwigslust, die Mitte des 18. Jahrhunderts als Residenz der Herzöge erbaut wurde. Die Karte enthält Informationen über Verkehrswege und Siedlungen. Zahlreiche Ortsnamen im westlichen Landesteil wurden nachträglich von zweiter Hand ergänzt.

Situations-Carte von dem Hertzogthum Mecklenburg
[zwischen 1700 und 1800?]Handzeichnung, 45 x 58 cm

Peraccurata S. Romani Imperii Tabula : comprehendens Regiones vulgo Sub Nomine Germaniæ Nuncupantes
Kartographen/Stecher/Verleger: Nicolaes Visscher, Gilliam van der Gouwen
Amsterdam [zwischen 1683 und 1702]
Kupferstich, 56 x 71 cm
Station 12
Der Amsterdamer Kartograph und Verleger Nicolaes Visscher (1618-1679) produzierte in großer Zahl Atlanten und Karten. Seine Darstellung des Heiligen Römischen Reiches zeigt den Küstenverlauf von den Niederlanden bis Preußen mit großer Genauigkeit. Die Kolorierung der Karte veranschaulicht die Einteilung Deutschlands in sogenannte Reichskreise. Der Westen des heutigen Niedersachsen gehörte zum rosa eingefärbten Westfälischen Kreis, während das östliche Niedersachsen zusammen mit Holstein und Mecklenburg den grün gefärbten Niedersächsischen Kreis bildete. Pommern gehörte dagegen zum gelb umrandeten Obersächsischen Kreis.